»Meine Spezialität ist
das Besondere.«

Juli Gudehus

Kul’urgu’

Man­che Leu­te soll­ten die weni­gen Tas­sen schüt­zen las­sen, die sie noch im Schrank haben.

Hier die zwei beklopp­tes­ten Fäl­le, die mir im Zusam­men­hang mit »schüt­zen las­sen« begeg­net sind – bei­de von ech­ter Land­nah­mer­mann-Men­ta­li­tät nur so strot­zend. Mal sehen, ob es mir gelingt, mich kurz zu fas­sen. Ich habe mich über bei­de so auf­ge­regt, dass dies hier zur Schimpf­ti­ra­de aus­ar­ten könnte.

Der eine Fall war also die­ser: der Freund (frisch­ge­ba­cke­ner Jurist) einer Freun­din (Künst­le­rin und Medi­en­ge­stal­te­rin), erzähl­te mir eines Abends im Plau­der­ton, er habe sich vor kur­zem genia­ler­wei­se »nicht recht­ecki­ge Buch­for­men« schüt­zen las­sen und ich möch­te ihn doch, sobald ich Ver­let­zun­gen sei­nes Rechts ent­deck­te, sofort davon in Kennt­nis set­zen, damit er die Mis­se­tä­ter mel­ken kön­ne. Das brach­te mich der­ar­tig auf, dass zum einen der Plau­der­ton dahin war und zum ande­ren auch der gan­ze Abend. Inter­es­san­ter­wei­se fehl­te ihm jedes Ver­ständ­nis für mei­nen Unmut. Viel­leicht kön­nen Sie es ver­ste­hen: Ich weiß näm­lich zufäl­lig, dass es »nicht recht­ecki­ge Buch­for­men« gibt, seit es Bücher gibt, und bin fas­sungs­los, dass man sich eine alt­her­ge­brach­te Kul­tur­form über­haupt schüt­zen las­sen kann. Wel­cher Juris­ten-Arm­leuch­ter bei wel­chem schlaf­müt­zi­gen Patent­amt lässt sowas zu?

Und hier der ande­re Fall: Ein Freund (Betriebs­wirt) erzähl­te, dass sei­ne 20-Leu­te-Fir­ma von der Tele­kom ver­klagt wür­de, da die Logos der bei­den angeb­lich ver­wechs­lungs­fä­hig sei­en. »Lach­haft!!« war mei­ne ers­te Reak­ti­on. Außer, dass bei­de ein gro­ßes »T« haben, war dar­an nichts ver­wechs­lungs­fä­hig, abso­lut gar nichts. Die zwei Logos sahen voll­kom­men unter­schied­lich aus. Lei­der zeig­te sich bald, dass es nichts zu lachen gibt, abso­lut gar nichts. Die ers­te Run­de vor Gericht ergab zwar, dass die zwei Logos sich nicht ähn­lich genug sehen. Damit war aber mein Freund mit sei­ner Fir­ma noch nicht aus dem Schnei­der und der Fall noch lan­ge nicht abge­schlos­sen. Der Rich­ter gab – was ich skan­da­lös fin­de – der Tele­kom den Tip, sie soll­ten doch mal ver­su­chen, sich das gro­ße »T«, also den Buch­sta­ben an sich, schüt­zen zu las­sen. Der Fir­ma mei­nes Freun­des hin­ge­gen riet er, sich lie­ber zu über­le­gen, ob sie es wirk­lich mit der Tele­kom auf­neh­men woll­ten. Für mei­nen Freund und sei­ne Fir­ma stell­te die Aus­sicht auf Gerichts­kos­ten, Kos­ten für Gut­ach­ten, eige­ne und geg­ne­ri­sche Anwäl­te in Höhe von um die 80.000 Euro das siche­re Ende der Fir­ma dar, wäh­rend die Tele­kom meh­re­re Juris­ten beschäf­tigt, die den gan­zen Tag nichts ande­res tun, als deren Macht­an­sprü­che zu zemen­tie­ren. Unser Staat über­lässt also allen Erns­tes Fir­men, sich über der­glei­chen zu »eini­gen«. Wobei die »Eini­gung« in die­sem Fal­le dann so aus­sah, dass die Tele­kom recht bekam und die Fir­ma mei­nes Freun­des ein neu­es Erschei­nungs­bild samt allem was dar­an hing finan­zie­ren durfte.

Ich gehö­re nun wirk­lich nicht zu denen, die alle Nase lang nach dem Staat schrei­en, aber in die­sen bei­den Fäl­len den­ke ich doch, unser Staat … unser S’aa’ könn’e sich mal ein biss­chen um sein Kul’urgu’ küm­mern. Kann doch nich’ zulas­sen, dass uns ein gan­zer Buchs’abe abhan­den komm’! Mindes’ens eben­so ers’aun’e mich, wie lahm die Reak’ionen der Öffen’lichkei’ dar­auf waren. Zwar berich’e’en alle grö­ße­ren Blä’’er und Sen­der davon, aber doch eher schlech’ als rech’, eher mi’ dem enor »die böse böse ele­kom ha’ schon wie­der Bähbäh gemach’!«. Dass die sich e’was so Essen’ielles wie einen Buchs’aben un’er den Nagel rei­ßen woll’e, lös’e kei­ne Empö­rung aus. Wenn ich sol­che Geschich’en höre wie die­se zwei, hä’’e ich gu’e Lus’, Juris’in zu wer­den oder Poli’ikerin. Oder am bes’en bei­des. Frech­hei’ sieg’, oder was?